Anti-Rassismus Tage WandelWerk
Kennt ihr das? Die Luft ist wie elektrisch aufgeladen, man ist ganz hibbelig und spürt genau, dass da was Großes im Gange ist! Jeder huscht hin und her, denn das, was hier geschieht, erfordert Mühe. Erfordert Zeit. Und die Zuversicht, dass am Ende alles gut läuft. Genau so eine Atmosphäre herrschte am Nachmittag des 20. März im WandelWerk, denn an diesem Wochenende fanden hier die Aktionstage im Rahmen der Internationalen Woche gegen Rassismus statt – inklusive toller Aktionen und noch tolleren Gäst:innen.
Stark, stärker, am stärksten!
Der Auftakt dafür war ein Livestream, in dem Moderatorin Susan Zare sich mit Vertreter:innen aus drei verschieden Organisationen zusammensetzte, die sich alle die Themen „besser leben in Köln mit internationaler Geschichte“ sowie der Bekämpfung von Alltagsrassismus auf die Fahnen geschrieben haben – und im Zuge dessen Unglaubliches leisten. An welchen Orten, die einem vielleicht nicht auf Anhieb in den Sinn kommen, findet tagtägliche Ausgrenzung aufgrund von Herkunft oder Religion statt? Was wäre ein zu Hause ohne gute Freund:innen? Und wieso ist Unterstützung in Sachen Bildung mitunter am wichtigsten, wenn es darum geht, die Welt ein Stückchen besser zu machen?
Lasst uns reden
Zur Beantwortung dieser und noch vieler weiterer Fragen wurden die beiden Studiosessel als erstes von Frédéric Bravo Paredes und Nefiyse Erilli besetzt, die stellvertretend für die Bürgerplattform „Stark! im Kölner Norden“ zu Gast waren. Ganz locker fingen die beiden an, zu erzählen. So eine Bürgerplattform, erklärte uns Fred zunächst, sei kein einzelner großer Verein, sondern eher ein Puzzle aus vielen verschiedenen Gruppen. Auch die IGMG (Islamische Gemeinschaft Millî Görüş) ist so eine Gruppe, über die Nefiyse zu Stark! gefunden hat. Sie führte uns vor Augen, wieso die neue Kampagne „Gemeinsam gegen Alltagsrassismus in Köln“ so unglaublich wichtig ist, denn wegen ihres Kopftuchs musste auch sie solch eine Diskriminierung seit ihrem elften Lebensjahr immer wieder über sich ergehen lassen.
Stark! durch Bodybildung
Die wichtigsten Ziele der Initiative beziehen sich auf die Anti-Diskriminierungs-Büros unserer Stadt, die oft nicht die Mittel oder den politischen Willen haben, Unternehmen, in denen Alltagsrassismus nur allzu präsent ist, mit Sanktionen zu belegen. Es sei „einfach, lokal zu entscheiden und gut umzusetzen“, so Fred, wenn regelmäßig Tests und Prüfungen stattfinden würden, um Ausgrenzung festzustellen. Gäbe es etwa in Anti-Diskriminierungs-Büros einen Stellenausbau und träte eine sogenannte Anti-Diskriminierungs-Richtlinie in Kraft, die schon in der Verwaltung zu weniger Vertuschung führen würde, wäre ein erster struktureller Schritt getan. Auf die Frage hin, was jede:r Einzelne:r von uns tun kann, forderte Nefiyse mit Nachdruck dazu auf, die persönliche Wirkung nicht zu unterschätzen. Zu konfrontieren, wo sonst nur überspielt wird. Denn: „Gemeinsam werden wir stark sein!“, versprachen Nefiyse und Frédéric zum Schluss und tauschten ihre Plätze nun mit Otis Benning und Majed Alssab von „Start with a Friend“ – einer Organisation, die genau dieses Versprechen durch ihre Philosophie umsetzt.
Freundschaft kennt keine Nationen
Erinnert ihr euch noch an die Freundschaftsbücher, durch die man als Kind festgestellt hat, ob der oder die Eintragende Buddy-Potenzial besitzt? Ungefähr so funktioniert auch „Start with a Friend“ – nur ist das Freundschaftsbuch jetzt eben digital. Basierend auf ähnlichen Interessen werden sogenannte „Tandems“ gebildet, die aus einem Local und einer:m Newcomer:in bestehen. „Ich brauchte keine weiteren Menschen, die mir helfen. Ich brauchte Freunde“, sagte Majed und traf damit den Nagel auf den Kopf. Denn natürlich braucht es eine Unterkunft, Unterstützung bei der Jobsuche und noch ganz viele andere helfende Hände, die einem bei der Safari durch den deutschen Bürokratie-Dschungel unter die Arme greifen. Um einen Ort „zu Hause“ nennen zu können, sind gute Freund:innen mindestens genauso wichtig. Jede:r von uns kennt das. Es ist das Natürlichste der Welt.
Vom Tandem zum Partybus
Der nächste Schritt, den SwaF unternimmt, ist dann, bei unterschiedlichsten Veranstaltungen die Tandems mit anderen SwaFler:innen in Kontakt zu bringen, um Dialoge zu eröffnen und sich zu Freund:innengruppen zusammenzufinden. Otis berichtete hierzu von Aktionen wie gemeinsamen Karnevalsfeiern und wie diese – dem bösen C-Wort geschuldet – momentan online umgesetzt werden. Wo es anfangs noch etwas haderte, finden gerade bundesweit bis zu vier Zoom-Events wöchentlich statt – von Infotreffen bis hin zu Escape Room Spielen ist alles dabei.
Dabei tanzen auch mal Happenings aus der Reihe, wie zum Beispiel das Treffen im Innenhof der Antoniter-City-Kirche, das unter dem Namen „Alt trifft Jung – Stereotype abbauen durch Begegnungen“ lief. Denn Austausch muss schließlich in allen Generationen passieren. Und laut Majed macht es das sogar noch spannender: „Man lernt voneinander über den Verlauf des Lebens und bestehende Gemeinsamkeiten. Man wird neugierig aufeinander.“
Und ist Neugierde nicht gerade der Anfang aller Freundschaften? Sie führt dazu, nachzufragen und sobald wir uns trauen, kommen wir oft aus dem Staunen nicht mehr raus.
Bildung vs. Diskriminierung
Nur was ist der Schlüssel, um Jedem:r diese Tür zu öffnen? Den Schritt zu wagen, den Dingen auf den Grund zu gehen und sich stark genug zu fühlen, um gleichzeitig auch Dialoge eröffnen zu können? Darauf konnte Ahmed Sinoplu von Coach e.V. als dritter Gast eine Antwort liefern: Bildung! Auch über die Zuschaltung über Zoom konnte man seinen Enthusiasmus und seine Leidenschaft nicht überhören, während er uns das Projekt der „Empowerment-Akademie“ vorstellte, die vor ungefähr einem Jahr ins Leben gerufen wurde. Aus der Überzeugung heraus, dass der Zugang zu Bildung und Aufklärung immens zur Persönlichkeitsentwicklung beiträgt, werden hier Betroffene von Alltagsrassismus im Alter von 16 bis 27 Jahren an mehreren Wochenenden für strukturelle Diskriminierung sensibilisiert. So soll fundiert gegen Vorurteile und Hetze vorgegangen werden – ausgehend von starken jungen Menschen, die eine Menge zu sagen haben. Jetzt müssen wir alle nur noch öfter zuhören.
Was wäre die Welt ohne Farben?
Bisher ging es ja ziemlich viel darum, sich im Alltag mehr gegenüber anderen Kulturen und Lebensweisen zu öffnen. Sich stark zu machen für das, auf was man stolz ist und welche kreativen Perspektiven Inititativen dafür bietent.
Die Band „Ajam“, die am Samstagabend ebenfalls im Studio zu Gast war, hat das geschafft: Mit Worten und Klängen zu zaubern, die ganz tief im Inneren eine unglaubliche Faszination auslösen. Die Musikgruppe vertont traditionelle arabische Gedichte oder interpretiert alte Musikstücke neu. Wir durften Bashar Yussef am Klavier und Hamza Mala Khalil als Sänger begrüßen, die unter anderem einen Text aus dem 12. Jahrhundert musikalisch vortrugen – und damit ausnahmslos alle in ihren Bann zogen. Sogar bis nach Jordanien klangen die Lieder durch den Livestream. Es gibt Dinge auf dieser Erde, die unabhängig von menschengemachten Grenzen sind. Liebe, Freundschaft, Kultur, Kunst und noch so viel mehr sind viel zu schön, um sie nicht miteinander zu teilen.
Zu diesen Dingen zählen auch die Bücher, die in der Lesereise am Sonntag im Vordergrund standen.
Eine Reise in die Welt der Fantasie
Die erste Lesung drehte sich um Andrea Karimés neues Kinderbuch „Sterne im Kopf und ein unglaublicher Plan“. Gleich zu Beginn erzählte Karimé, dass irgendwie von Anfang an ein „anderes Buch mitgeschrieben hätte“: „Das Mädchen, mit dem die Kinder nicht verkehren durften“ von Irmgard Keun. Die Heldinnen Lama und das namenlose Mädchen aus Keuns Roman haben nämlich etwas gemeinsam: Beide haben ihren sogenannten „Kopftopf“, in dem ganz schön viele Ideen und Gedanken umherschwirren, die einen nachts schon mal
wachliegen lassen können – sowas haben wir ja alle irgendwie. Und gerade Lama hat es echt nicht leicht. Sie wird wegen ihres Namens ausgelacht, sucht einen neuen besten Freund oder eine beste Freundin und dann weigern sich auch noch manche Lehrer:innen in „unserer“ Welt, ihre Geschichte vorzulesen, weil Jungs anscheinend niemals ein Buch interessieren würde, dessen Hauptfigur ein Mädchen ist. In dem Sinne lässt sich „Sterne im Kopf und ein unglaublicher Plan“ auch auf unsere Gesellschaft übertragen: Wenn man etwas vermeintlich „anderem“ keine Chance gibt, verpasst man ganz schön was!
Kunterbunte Worte
Dazu zählt auch das zweite Buch: „Mimis kunterbunte Welt“ von Nicola Boyne und Ulrike Haas. Genauso, wie die versteckten Elemente auf den Bildern, ist etwas Vergleichbares einfach schwer zu finden, so ein Wimmelbuch für „mehr Vielfalt im Kinderzimmer“. Die beiden Autorinnen wollen unser Köln so zeigen, wie es ist und dadurch mit Stereotypen brechen, die viel zu häufig in Kinderbüchern präsent sind. Statt „Wo ist Walter?“ heißt es hier: Wo ist der Mann, der im Rollstuhl sitzt? Wo ist das homosexuelle Pärchen? Die People of Colour? Und noch so viele mehr. Denn nur so können wir zu einer weltoffeneren Gesellschaft werden, in der schon die Kleinsten Vielfalt intuitiv als Bereicherung wahrnehmen.
Umdenken est. 2021
Seien wir mal ehrlich: All diese Fragen und Unklarheiten darüber, was die Zukunft hinsichtlich dessen bereithält, können einen teilweise wirklich runterziehen und am Ende stehen wir mit so einer Ratlosigkeit da, wie es denn jetzt weitergehen soll. Die Frage nach dem „Was kann ich tun?“ ist noch lange nicht so wichtig wie die Frage „Wie kommt es, dass ich genau darauf keine Antwort habe?“, was ziemlich komplex klingt. Und auch irgendwie beängstigend, weil wir uns dann eingestehen müssten, bisher zu wenig nachgefragt zu haben. Genau um diese Thematik, nämlich wie wir uns auch ungewollt an Rassismus beteiligen und wie dagegen vorgegangen werden kann, drehte sich der ganztägige Einsteigs-Workshop “Was ist eigentlich Rassismus? Verstehen und bekämpfen” für Jugendliche im Alter von 11-15 Jahren. Und lasst mich euch versichern: Dass wir alle das Potenzial zum Wandel schon in uns tragen, haben die Teilnehmer:innen im Zuge dessen mehr als klargemacht.. Joshua -einer der Teamer:innen, die diesen betreut haben- hat es als bemerkenswert beschrieben, dass diese jungen Leute einen Sonntag ihrer Zeit genutzt haben, um dazuzulernen, zu verstehen, was genau das Problem ist. Und damit hat er vollkommen recht! Das gute Auge der Jugendlichen dafür, welche Grundprinzipien wir umkrempeln müssen, um strukturellem Rassismus die Stirn zu bieten, sollten wir uns alle aneignen und das ist auch gar nicht so schwer. Jede:r von uns hat die Mittel dazu.
Wir sind jetzt an einem Punkt angekommen, an dem wir einmal durchatmen müssen, um eines Tages aufatmen zu können. Die Augen einfach mal ein Stück weiter aufmachen, um nicht bloß schlafzuwandeln. Aber vor allem: Unsere Herzen ganz weit öffnen und damit die Welt betrachten. Manche würden sagen, das ist, als würde man sich eine rosarote Brille anziehen und sich die Welt ganz schön einfach machen. Ich sage: In Bezug auf Menschlichkeit kann besagte Brille gar nicht rosarot genug sein!
Autorin:
Antonia Langbehn
Kennt ihr das? Die Luft ist wie elektrisch aufgeladen, man ist ganz hibbelig und spürt genau, dass da was Großes im Gange ist! Jeder huscht hin und her, denn das, was hier geschieht, erfordert Mühe. Erfordert Zeit. Und die Zuversicht, dass am Ende alles gut läuft. Genau so eine Atmosphäre herrschte am Nachmittag des 20. März im WandelWerk, denn an diesem Wochenende fanden hier die Aktionstage im Rahmen der Internationalen Woche gegen Rassismus statt – inklusive toller Aktionen und noch tolleren Gäst:innen.
Stark, stärker, am stärksten!
Der Auftakt dafür war ein Livestream, in dem Moderatorin Susan Zare sich mit Vertreter:innen aus drei verschieden Organisationen zusammensetzte, die sich alle die Themen „besser leben in Köln mit internationaler Geschichte“ sowie der Bekämpfung von Alltagsrassismus auf die Fahnen geschrieben haben – und im Zuge dessen Unglaubliches leisten. An welchen Orten, die einem vielleicht nicht auf Anhieb in den Sinn kommen, findet tagtägliche Ausgrenzung aufgrund von Herkunft oder Religion statt? Was wäre ein zu Hause ohne gute Freund:innen? Und wieso ist Unterstützung in Sachen Bildung mitunter am wichtigsten, wenn es darum geht, die Welt ein Stückchen besser zu machen?
Lasst uns reden
Zur Beantwortung dieser und noch vieler weiterer Fragen wurden die beiden Studiosessel als erstes von Frédéric Bravo Paredes und Nefiyse Erilli besetzt, die stellvertretend für die Bürgerplattform „Stark! im Kölner Norden“ zu Gast waren. Ganz locker fingen die beiden an, zu erzählen. So eine Bürgerplattform, erklärte uns Fred zunächst, sei kein einzelner großer Verein, sondern eher ein Puzzle aus vielen verschiedenen Gruppen. Auch die IGMG (Islamische Gemeinschaft Millî Görüş) ist so eine Gruppe, über die Nefiyse zu Stark! gefunden hat. Sie führte uns vor Augen, wieso die neue Kampagne „Gemeinsam gegen Alltagsrassismus in Köln“ so unglaublich wichtig ist, denn wegen ihres Kopftuchs musste auch sie solch eine Diskriminierung seit ihrem elften Lebensjahr immer wieder über sich ergehen lassen.
Stark! durch Bodybildung
Die wichtigsten Ziele der Initiative beziehen sich auf die Anti-Diskriminierungs-Büros unserer Stadt, die oft nicht die Mittel oder den politischen Willen haben, Unternehmen, in denen Alltagsrassismus nur allzu präsent ist, mit Sanktionen zu belegen. Es sei „einfach, lokal zu entscheiden und gut umzusetzen“, so Fred, wenn regelmäßig Tests und Prüfungen stattfinden würden, um Ausgrenzung festzustellen. Gäbe es etwa in Anti-Diskriminierungs-Büros einen Stellenausbau und träte eine sogenannte Anti-Diskriminierungs-Richtlinie in Kraft, die schon in der Verwaltung zu weniger Vertuschung führen würde, wäre ein erster struktureller Schritt getan. Auf die Frage hin, was jede:r Einzelne:r von uns tun kann, forderte Nefiyse mit Nachdruck dazu auf, die persönliche Wirkung nicht zu unterschätzen. Zu konfrontieren, wo sonst nur überspielt wird. Denn: „Gemeinsam werden wir stark sein!“, versprachen Nefiyse und Frédéric zum Schluss und tauschten ihre Plätze nun mit Otis Benning und Majed Alssab von „Start with a Friend“ – einer Organisation, die genau dieses Versprechen durch ihre Philosophie umsetzt.
Freundschaft kennt keine Nationen
Erinnert ihr euch noch an die Freundschaftsbücher, durch die man als Kind festgestellt hat, ob der oder die Eintragende Buddy-Potenzial besitzt? Ungefähr so funktioniert auch „Start with a Friend“ – nur ist das Freundschaftsbuch jetzt eben digital. Basierend auf ähnlichen Interessen werden sogenannte „Tandems“ gebildet, die aus einem Local und einer:m Newcomer:in bestehen. „Ich brauchte keine weiteren Menschen, die mir helfen. Ich brauchte Freunde“, sagte Majed und traf damit den Nagel auf den Kopf. Denn natürlich braucht es eine Unterkunft, Unterstützung bei der Jobsuche und noch ganz viele andere helfende Hände, die einem bei der Safari durch den deutschen Bürokratie-Dschungel unter die Arme greifen. Um einen Ort „zu Hause“ nennen zu können, sind gute Freund:innen mindestens genauso wichtig. Jede:r von uns kennt das. Es ist das Natürlichste der Welt.
Vom Tandem zum Partybus
Der nächste Schritt, den SwaF unternimmt, ist dann, bei unterschiedlichsten Veranstaltungen die Tandems mit anderen SwaFler:innen in Kontakt zu bringen, um Dialoge zu eröffnen und sich zu Freund:innengruppen zusammenzufinden. Otis berichtete hierzu von Aktionen wie gemeinsamen Karnevalsfeiern und wie diese – dem bösen C-Wort geschuldet – momentan online umgesetzt werden. Wo es anfangs noch etwas haderte, finden gerade bundesweit bis zu vier Zoom-Events wöchentlich statt – von Infotreffen bis hin zu Escape Room Spielen ist alles dabei.
Dabei tanzen auch mal Happenings aus der Reihe, wie zum Beispiel das Treffen im Innenhof der Antoniter-City-Kirche, das unter dem Namen „Alt trifft Jung – Stereotype abbauen durch Begegnungen“ lief. Denn Austausch muss schließlich in allen Generationen passieren. Und laut Majed macht es das sogar noch spannender: „Man lernt voneinander über den Verlauf des Lebens und bestehende Gemeinsamkeiten. Man wird neugierig aufeinander.“
Und ist Neugierde nicht gerade der Anfang aller Freundschaften? Sie führt dazu, nachzufragen und sobald wir uns trauen, kommen wir oft aus dem Staunen nicht mehr raus.
Bildung vs. Diskriminierung
Nur was ist der Schlüssel, um Jedem:r diese Tür zu öffnen? Den Schritt zu wagen, den Dingen auf den Grund zu gehen und sich stark genug zu fühlen, um gleichzeitig auch Dialoge eröffnen zu können? Darauf konnte Ahmed Sinoplu von Coach e.V. als dritter Gast eine Antwort liefern: Bildung! Auch über die Zuschaltung über Zoom konnte man seinen Enthusiasmus und seine Leidenschaft nicht überhören, während er uns das Projekt der „Empowerment-Akademie“ vorstellte, die vor ungefähr einem Jahr ins Leben gerufen wurde. Aus der Überzeugung heraus, dass der Zugang zu Bildung und Aufklärung immens zur Persönlichkeitsentwicklung beiträgt, werden hier Betroffene von Alltagsrassismus im Alter von 16 bis 27 Jahren an mehreren Wochenenden für strukturelle Diskriminierung sensibilisiert. So soll fundiert gegen Vorurteile und Hetze vorgegangen werden – ausgehend von starken jungen Menschen, die eine Menge zu sagen haben. Jetzt müssen wir alle nur noch öfter zuhören.
Was wäre die Welt ohne Farben?
Bisher ging es ja ziemlich viel darum, sich im Alltag mehr gegenüber anderen Kulturen und Lebensweisen zu öffnen. Sich stark zu machen für das, auf was man stolz ist und welche kreativen Perspektiven Inititativen dafür bietent.
Die Band „Ajam“, die am Samstagabend ebenfalls im Studio zu Gast war, hat das geschafft: Mit Worten und Klängen zu zaubern, die ganz tief im Inneren eine unglaubliche Faszination auslösen. Die Musikgruppe vertont traditionelle arabische Gedichte oder interpretiert alte Musikstücke neu. Wir durften Bashar Yussef am Klavier und Hamza Mala Khalil als Sänger begrüßen, die unter anderem einen Text aus dem 12. Jahrhundert musikalisch vortrugen – und damit ausnahmslos alle in ihren Bann zogen. Sogar bis nach Jordanien klangen die Lieder durch den Livestream. Es gibt Dinge auf dieser Erde, die unabhängig von menschengemachten Grenzen sind. Liebe, Freundschaft, Kultur, Kunst und noch so viel mehr sind viel zu schön, um sie nicht miteinander zu teilen.
Zu diesen Dingen zählen auch die Bücher, die in der Lesereise am Sonntag im Vordergrund standen.
Eine Reise in die Welt der Fantasie
Die erste Lesung drehte sich um Andrea Karimés neues Kinderbuch „Sterne im Kopf und ein unglaublicher Plan“. Gleich zu Beginn erzählte Karimé, dass irgendwie von Anfang an ein „anderes Buch mitgeschrieben hätte“: „Das Mädchen, mit dem die Kinder nicht verkehren durften“ von Irmgard Keun. Die Heldinnen Lama und das namenlose Mädchen aus Keuns Roman haben nämlich etwas gemeinsam: Beide haben ihren sogenannten „Kopftopf“, in dem ganz schön viele Ideen und Gedanken umherschwirren, die einen nachts schon mal
wachliegen lassen können – sowas haben wir ja alle irgendwie. Und gerade Lama hat es echt nicht leicht. Sie wird wegen ihres Namens ausgelacht, sucht einen neuen besten Freund oder eine beste Freundin und dann weigern sich auch noch manche Lehrer:innen in „unserer“ Welt, ihre Geschichte vorzulesen, weil Jungs anscheinend niemals ein Buch interessieren würde, dessen Hauptfigur ein Mädchen ist. In dem Sinne lässt sich „Sterne im Kopf und ein unglaublicher Plan“ auch auf unsere Gesellschaft übertragen: Wenn man etwas vermeintlich „anderem“ keine Chance gibt, verpasst man ganz schön was!
Kunterbunte Worte
Dazu zählt auch das zweite Buch: „Mimis kunterbunte Welt“ von Nicola Boyne und Ulrike Haas. Genauso, wie die versteckten Elemente auf den Bildern, ist etwas Vergleichbares einfach schwer zu finden, so ein Wimmelbuch für „mehr Vielfalt im Kinderzimmer“. Die beiden Autorinnen wollen unser Köln so zeigen, wie es ist und dadurch mit Stereotypen brechen, die viel zu häufig in Kinderbüchern präsent sind. Statt „Wo ist Walter?“ heißt es hier: Wo ist der Mann, der im Rollstuhl sitzt? Wo ist das homosexuelle Pärchen? Die People of Colour? Und noch so viele mehr. Denn nur so können wir zu einer weltoffeneren Gesellschaft werden, in der schon die Kleinsten Vielfalt intuitiv als Bereicherung wahrnehmen.
Umdenken est. 2021
Seien wir mal ehrlich: All diese Fragen und Unklarheiten darüber, was die Zukunft hinsichtlich dessen bereithält, können einen teilweise wirklich runterziehen und am Ende stehen wir mit so einer Ratlosigkeit da, wie es denn jetzt weitergehen soll. Die Frage nach dem „Was kann ich tun?“ ist noch lange nicht so wichtig wie die Frage „Wie kommt es, dass ich genau darauf keine Antwort habe?“, was ziemlich komplex klingt. Und auch irgendwie beängstigend, weil wir uns dann eingestehen müssten, bisher zu wenig nachgefragt zu haben. Genau um diese Thematik, nämlich wie wir uns auch ungewollt an Rassismus beteiligen und wie dagegen vorgegangen werden kann, drehte sich der ganztägige Einsteigs-Workshop “Was ist eigentlich Rassismus? Verstehen und bekämpfen” für Jugendliche im Alter von 11-15 Jahren. Und lasst mich euch versichern: Dass wir alle das Potenzial zum Wandel schon in uns tragen, haben die Teilnehmer:innen im Zuge dessen mehr als klargemacht.. Joshua -einer der Teamer:innen, die diesen betreut haben- hat es als bemerkenswert beschrieben, dass diese jungen Leute einen Sonntag ihrer Zeit genutzt haben, um dazuzulernen, zu verstehen, was genau das Problem ist. Und damit hat er vollkommen recht! Das gute Auge der Jugendlichen dafür, welche Grundprinzipien wir umkrempeln müssen, um strukturellem Rassismus die Stirn zu bieten, sollten wir uns alle aneignen und das ist auch gar nicht so schwer. Jede:r von uns hat die Mittel dazu.
Wir sind jetzt an einem Punkt angekommen, an dem wir einmal durchatmen müssen, um eines Tages aufatmen zu können. Die Augen einfach mal ein Stück weiter aufmachen, um nicht bloß schlafzuwandeln. Aber vor allem: Unsere Herzen ganz weit öffnen und damit die Welt betrachten. Manche würden sagen, das ist, als würde man sich eine rosarote Brille anziehen und sich die Welt ganz schön einfach machen. Ich sage: In Bezug auf Menschlichkeit kann besagte Brille gar nicht rosarot genug sein!
Autorin:
Antonia Langbehn
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